Beijing Claims

Projektvorschlag für
Beijing Case (nicht realisiert)

Marion Kreißler & Martin Conrath, 2004

Projektbeschreibung
Fotomontagen

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Projektbeschreibung

Architektur/Theorie/Position

Ausgehend von unseren bisherigen Projekten im öffentlichen Raum und den differenzierten Informationen des Ausschreibungstextes haben wir ein Projekt erarbeitet, das den hybriden Stadtraum Pekings in direkte Beziehung setzt zu subjektiven oder privat geschaffenen Räumen.

In den in Peking eilig und darum häufig referenzlos gestapelt und gereihten Ergebnissen architektonisch „forcierter Funktionalität“ verbergen sich offensichtlich selten mehr als die jeweiligen Produktionsbedingungen und häufig weniger als ein sich selbst erfüllendes Versprechen. Beides mag sich selbst genügen, verliert aber die Fähigkeit, kommunizierbar zu sein, weil Querverbindungen fehlen. Die so mutwillig konstruierten Parallelwelten sind fiktionslos und erzeugen daher vermutlich multiple Charaktere – solche nämlich, die, behende oder mühsam, antipartizipatorische Differenzen überwinden können. Das zeichnet sie aus.

Bei „Beijing Claims“ gilt unser Interesse der Suche nach ikonografischen Mitteln, mit denen auf der Grundlage der Partizipation solche Querverbindungen im Stadtraum zu initiieren und möglicherweise in Ansätzen auch auszuführen wären.

Dazu haben wir zuerst recherchiert, wo und in welcher Form direktes Bild- oder Text-Bildmaterial in der Stadt erscheint und wie es funktionalisiert wird. Zwei Felder haben sich ergeben: Werbung und Propaganda; sich parallelisierend sowie Anleihen machend. Die Orte dieser Präsentationen sind sowohl vorbereitete Billboards als auch temporäre, „situationistische“ Gelegenheiten: Baugerüste, Einzäunungen, Trennwände, die auf ihrer ephemeren Haut als ikonografische Projektionsfläche für ökonomische, soziale und ideologische Ansprüche genutzt werden. Noch über die reine Kommerzialisierung des urbanen Raumes hinaus wird „Öffentlichkeit“ also bespielbar und letztlich damit als Allgemeingut zum Verschwinden gebracht: Urbanität wird Werbung für Urbanität.

Die dazu größtmögliche Differenz, das Private und das Subjektive, haben wir, sei es als Bild, als bewußtes Statement oder Ereignis aus fehlenden Gelegenheiten (noch) nicht entdecken können.

Projekt

Auf Streifzügen durch Peking wollen wir Orte mit Werbeflächen und solche, die dafür geeignet wären, im urbanen Zusammenhang fotografisch dokumentieren. Es soll sukzessive ein umfangreiches Archiv entstehen. Dazu parallel wollen wir persönliche Kontakte aufbauen, die es erlauben, privates Bildmaterial von privaten Räumen – Innen wie Außen – zu erhalten. Diese Szenerien (ohne Personen) bilden die Basis unserer Schnitttechnik zwischen den parallelen Welten: sie werden digital anstelle der Werbefläche oder der Propagandabanner in die Abbildungen aus dem Stadtraum eingefügt. Mit dieser strategischen Vertauschung der Raumwahrnehmung gewinnt der „individuelle Blick“ ein öffentliches Forum, wird der subjektiven Wertigkeit der Wahrnehmung objektiv ein Ort frei geräumt: Entspricht das Private ansatzweise bereits der öffentlichen Behauptung? Wird diese selbstbewußt konterkariert? Oder: Wie sehen Differenzen aus, wenn ihnen hybride Adaptionen zu Grunde liegen?

Unsere Experimente (siehe Fotomontagen) legen die Vermutung nahe, dass dergestalt vorher Verborgenes/Privates auch „öffentlich“ gemacht weiter noch verborgen bleiben kann und also die Chance birgt, mit der Verwendung des manipulierten Bildes sowohl dessen Anonymität zu wahren, wie sie gleichzeitig strategisch gegen die o.g. „Abschaffung der Öffentlichkeit“ zu positionieren.

Realisierung

Den generierten Bildern sollen mit drei Verfahren parallel zur Veröffentlichung verholfen werden:

Einmal soll ein Website angelegt werden, der sowohl unser eigenes Bildmaterial dokumentiert als auch das manipulierte. Darüber hinaus wird dieser Site die Möglichkeit bieten, unser Bildmaterial (auch in höheren Auflösungen) zu kopieren, um jeweils eigene, individuelle Montagen machen zu können. Auch die Möglichkeit des Uploads – also der Veröffentlichung fremder Bildmontagen ist vorgesehen.
Eine zweite Form der Distribution wird die Planung und Herstellung von Postkarten mit den generierten Bildmotiven sein. (Diese Karten werden gestreut verteilt und so zu „Allgemeingut“ gemacht; sie erhalten keinen Copyrightvermerk.)
Die dritte Ebene der ikonografischen Produktion urbaner Subjektivität/Privatheit wird der Versuch sein, verschieden formatige Banner mit Bildkonstruktionen über Sponsoring tatsächlich fertigen und im Stadtraum Pekings zeigen zu können.

Alle drei Distributionsformen sind auf Partizipation angelegt, auf Übernahmen ausgerichtet und - als Threads - auf Überschreibungen vorbereitet. Kopieren ist erwünscht!

Die technische Umsetzung berücksichtigt die Grenzen des zur Verfügung stehenden Etats; das Equipment zum Projekt ist vorhanden.

Ziel

Unser Projekt „Beijing Claims“ zielt auf eine Verschränkung von Bildern aus öffentlichem und privatem Raum. Die beiden sonst eher stillschweigend parallel erfahrenen Wahrnehmungen erhalten in ihrer Verschränkung eine kontradiktorische Korrektur ihrer Standpunkte und infolge dessen auch eine solche ihrer Perspektiven. Welche Räume gibt es jenseits der verwalteten und instrumentalisierten? Und: Sind es nicht gerade private Räume, die jene Bilder erzeugen, mit denen topologisch und psychogeografisch erst eine Refiktionalisierung innerhalb urban „forcierter Funktionalität“ möglich werden kann?

Das für die Illustrationen verwendete Bildmaterial entstammt privaten Sites des WWW.

Weiter verwendete Quellen des WWW:
http://www.owlnet.rice.edu/~swlewis/beijingads/beijingads.html
http://www.ruf.rice-edu/~tuchina/beijingpolads.html
http://www.ruf.rice-edu/~tuchina/polads/privatized.html
http://www.iisg.nl/~landsberger/

Summary:

Locations in Beijing used for advertising and propaganda will be documented and archived with photography. In addition to these photographs, a collection of pictures showing privately used spaces will be set up to digitally replace the billboards in the photos. The results will be presented on a website und distributed in Beijing on postcards and billboards.

Martin Conrath & Marion Kreißler


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